Ich bin Yin und in Aachen geboren.
Meine Eltern sind aus der Provinz Zhejiang China.
1979 wanderte mein Vater aus nach Deutschland.
1985 wanderte meine Mutter nach.
1988 kam ich auf die Welt.
In Aachen – Nordrhein-Westfalen.
Vor mir gibt es 4 Schwestern, die allesamt in China geboren und teilweise dort aufgewachsen sind.
Ich bekomme den Namen Yin 引, was „heranziehen“ bedeutet. Mein Nachname ist Jen 任. Klingt wie die japanische Währung „Yen“.
Meine Eltern mussten in der Zeit als ich noch im Mutterleib war, ein Restaurant schließen. Sie wurden betrogen und saßen mit 100.000 DM Schulden da.
Am 4. Januar 1988 erblickte ich das Licht der Welt und bekam nun den Namen Yin Jen ( „das Geld heranziehen“).
Ich hatte die Ehre für die Familie das Geld heran zu ziehen.
Das klappte auch.
Ein paar Monate später fanden sie ein neues Ladenlokal in Radevormwald.
China Restaurant Jen in Radevormwald wurde eröffnet.
Es boomte.
Würde man auf neudeutsch sagen.
Mit 4 Jahren hatte mir meine Mutter die Haare sehr kurz geschnitten.
Ich sah wie ein Junge aus.
Sie kleidete mich ein bisschen wie ein Junge.
Sie sagte sogar, dass ich ein Junge sei.
Bis meine Haare länger wurden und ich Zöpfe trug.
Menschen, die in unserem Restaurant kamen, waren verwirrt.
Ich muss selbst herzhaft lachen.
Was hat das aber mit mir gemacht?
Unbewusst?
Was macht es mit einem, wenn man eigentlich etwas anderes sein sollte.
Nämlich ein Junge.
Wie oben erwähnt, haben meine Eltern vor mir bereits vier Mädchen bekommen.
Sie waren definitiv fleißig und voller Hoffnung.
Also wurde nun sehr viel Hoffnung und Zuversicht in das Kind im neuen Land gesetzt.
Meine Mutter erzählte mir sogar, dass mein Vater bei den Ultraschall Untersuchungen mitbekam, dass es ein Mädchen wird.
Er hielt meine Mutter ab, dass sie mich abtreibt.
Papa sei Dank, dass ich hier bin.
Also schwimme ich noch ein paar Monate voller Enttäuschung kein Junge zu sein im Mutterleib vor mich hin.
Ich wuchs in einem China Restaurant auf.
Ich bekam mit, dass man viel arbeiten „muss„. Alles andere hat keinen Wert.
Und meine gesamte Familie arbeitete wie die Verrückten, weil sie nicht anders konnten.
Meinen Teil habe ich zu der Zeit also erfüllt.
Das Geld heranziehen.
Check.
Das Junge sein.
Hm…nicht so geklappt.
Aber wie ein Mann arbeiten!
Das hat wunderbar geklappt.
Vor allem als zweifache Mama.
Die Qualitäten als Mama sind ja sanft und nährend zu sein, aber gefühlt der bessere Papa war ich auch.
Dominanz.
Nennt man das vielleicht auch.
Ich stellte mich so oft wie es nur geht, über meinem Mann.
Ich hatte das Sagen.
Ich war der Oberhäuptling.
Ich lief mit einem unsichtbaren Zepter umher, um alle um mich herum zu kontrollieren.
Das kam nicht so gut an.
Irgendwann also begann ich mal tiefer zu schauen.
Die tiefe Erkenntnis erhielt ich im September 2021 beim ThetaHealing® Du & Der Schöpfer Seminar. Dort gab es ein Schlüsselmoment für mich. Meine Gedanken kreisten bereits monatelang um das Thema „Frau-Sein„. Ständig erzählte ich die Geschichte, dass meine Eltern sich einen Jungen gewünscht haben. Sie waren enttäuscht. Ich sah das ein, aber so richtig rund fühlte es sich dennoch nicht an.
Ich löste sämtliche Verstrickungen zwischen Geld, meinen Eltern und mir auf. Es lag eine unglaubliche große Unsichtbare Last auf mir, voller Hoffnung und Zuversicht. Ich empfand es als immensen Druck. Ich fühlte mich oft scheinbar grundlos schuldig (Stichwort Abtreibung; meine Mutter hat vor mir Abtreibungen begangen, weil sie wusste, dass es ein Mädchen wurde. Also hier nochmals, Papa sei Dank und Gott sei Dank, dass ich überleben durfte)
Nun saß ich da im Seminar und der Lehrer erzählte von Groll und Enttäuschungen. Irgendwie ergab sich ein Gespräch und der Lehrer fragte mich, wem ich grolle.
Yin: „Nun, meinen Eltern und mir selbst. Ich habe sie enttäuscht.“
Lehrer: „Wen hast Du noch enttäuscht? Wer hat entschieden, als Hoffnungsträger „Junge“ auf die Welt zu kommen und doch lieber ein Mädchen zu sein?“
Im Kopf dreht sich alles wie auf einem Karussell. Irgendwie antwortet mein Mund für meinen Kopf: „….ich habe das entschieden…“
Tränen überrannten mein Gesicht.
Herzschmerz.
Einsicht.
Ich schluchze wie das Zeug hält.
Es spielen immer alle ihre perfekte Rolle auf dieser Erde.
Auch wenn das in erster Linie nicht so lustig aussieht.
Aber klar, wer war ich, als ich noch nicht im Bauch meiner Mutter war?
Jemand, der es wirklich wissen wollte.
Das Leben in all seinen Facetten so richtig auskosten.
Mit all den Höhen und Tiefen, die es gibt.
Mit Dramen und Krisen.
Die Wunschliste hätte vielleicht so ausgesehen:
Lieber Gott,
ich möchte gern erfahren, wie sich Mitgefühl, Toleranz und Vergebung anfühlt. Ich möchte Erfahrungen machen, die erinnerungswürdig sind. Ich möchte auch wissen, dass ich stets mit Dir auf der Erde verbunden bin.
Ich freue mich so sehr drauf!
Wer hätte gedacht, dass diese Eigenschaften Mitgefühl, Toleranz und Vergebung auch Tugenden sind.
Bedeutung von Tugend im Duden: sittlich wertvolle Eigenschaft (eines Menschen)
Erst seit diesem Seminar rückten die Tugenden noch mehr ins Bewusstsein.
Ganz genau.
Mir selbst und meinen Eltern zu vergeben.
Mitgefühl mit mir und meinen Eltern zu haben. Und vor allem tolerant sein.
Dieser Moment war so erkenntnisreich und tief, dass ich danach einfach platt war.
Wenn wir verstehen, dass wir uns selbst alles erschaffen haben, dann ist das unbeschreiblich.
Unbeschreiblich schmerzhaft und erleichternd zugleich.
Unbeschreiblich unvorstellbar und großartig zugleich.
Es kann eine Menge Angst machen.
Wenn wir all die schrecklichen Momente selbst kreiert haben, dann können wir es auch umgekehrt tun. Ganz viele Tolle Dinge kreieren! Nur das sind wir nicht gewohnt. Wir haben uns so sehr dran gewöhnt zu zerstören, zu mißtrauen und uns klein zu halten.
Mißgunst, Neid und Unverständnis hat uns die letzten Jahrhunderte kollektiv geprägt.
Alles was leicht und einfach ist, wird als Humbug, Gehirnwäsche und Schwachsinn dahin gestellt.
Wieso haben wir so viel Angst vor dem Unsichtbaren?
Bei Wind schrecken wir ja auch nicht zurück, obwohl wir es auch nicht sehen, aber dafür fühlen können…
Um meine Geschichte zu vollenden, habe ich nun erkannt, dass der Schmerz und die Enttäuschung in mir eine Projektion auf meine Eltern waren. Ich selbst trug diese Enttäuschung drei Jahrzehnte lang in mir herum. Bis ich bereit war die Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
Sehr befreiend und nachvollziehbar zum Schluss.
Kannst Du das auch nachvollziehen?
Seit dieser Erkenntnis, kann ich mein Frau-Sein viel besser annehmen. Ich fühle mich wohl als Frau, als Yin. Ich habe das grundlegende Gefühl von Scham und Schuld loslassen können. Ich muss auch nicht mehr unbewusst gegen meinen Mann kämpfen. Das Gefühl, wertlos als Frau zu sein, ist nicht mehr da.
Es gibt für meine Eltern keinen Stammhalter, dafür 5 gesunde Töchter und 14 wundervolle Enkelkinder.
Falls Du auch das Gefühl hast, mit Dir stimmt etwas nicht, dann lass mich Dir sagen, dass alles einen tieferen Grund dafür gibt.
Du bist einzigartig, wie jeder von uns. Jeder von uns hat wundervolle Geschichten zu erzählen, die uns gegenseitig inspirieren können. Erzähle auch Du, Deine Geschichte, falls Du magst, in den Kommentaren.
Ich freue mich von Dir zu lesen.
In Liebe & Wertschätzung,